Freitag, 13. Januar 2012

Einfachste Mittel gegen Klimawandel


Die Erde erwärmt sich, doch der Klimaschutz kommt nicht voran. 400 Methoden zur Eindämmung der Treibhausgase haben Experten nun überprüft. Das überraschende Ergebnis: Bereits mit wenigen einfachen Maßnahmen ließe sich der Klimawandel erheblich bremsen - ein Spiegel-Report.

Frust, Frust, Frust - so lässt sich die Stimmung von Klimaschützern beschreiben. Seit 20 Jahren kämpfen sie gegen die Erwärmung des Weltklimas, die von Wissenschaftlern vorhergesagt wird. Doch Fortschritte gibt es so gut wie keine; im Dezember scheiterte auch der 17. Uno-Klimagipfel. Der Weg zum Klimaschutz scheint noch weit zu sein. Nun aber schlagen Forscher eine Abkürzung vor.

Anstatt sich wie bisher auf Kohlendioxid (CO2) zu konzentrieren, würde es sich lohnen, andere Gase zu bekämpfen, berichtet ein Team von 24 Experten um Drew Shindell von der Nasa jetzt im Wissenschaftsmagazin "Science". Die vorgeschlagenen Maßnahmen könnten der Studie zufolge gleichzeitig die Luftverschmutzung verringern und so mehreren Millionen Menschen pro Jahr das Leben retten.

Aus rund 400 Maßnahmen, die den Ausstoß von Klimagasen einschränken sollen, haben die Forscher 14 ermittelt, die besonders effektiv und schnell umsetzbar seien. Würde sich die Weltgemeinschaft allein auf diese Methoden konzentrieren, könnte die Erwärmung bis 2050 um ein halbes Grad und damit um gut ein Drittel geringer ausfallen als prognostiziert.

Der Klimawandel ließe sich auf diese Weise um Jahrzehnte hinauszögern, sagt Veerabhadran Ramanathan von der Scripps Institution of Oceanography in San Diego, USA, ein Mitautor der Studie. Damit würden die Chancen steigen, dass die Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts unter zwei Grad bliebe.

Die Taktik führt über einen Nebenweg zum Ziel: CO2 gilt zwar als Hauptverursacher der Klimaerwärmung, das Treibhausgas hält sich Jahrhunderte in der Luft. Methan und Ruß hingegen bleiben allenfalls ein paar Jahre in der Atmosphäre. Dabei wärmen die Substanzen aber stärker als CO2. Es mache sich also deutlich bemerkbar, würden Methan und Ruß reduziert, schreibt die Forschergruppe in "Science".

Schon länger erwägen Experten deshalb einen Plan B beim Klimaschutz; die Verringerung des Abgasausstoßes von Methan und Ruß schien ihnen verlockend. Doch mit der "Science"-Studie legen Forscher nun erstmals einen genauen Plan vor. "Wir haben die praktikabelsten Schritte identifiziert, wie mit bestehender Technologie die Erwärmung erheblich gebremst und gleichzeitig die Luft gesünder gemacht werden kann", sagt Shindell.

Die besten Methoden zur raschen Eindämmung des Methanausstoßes sind der Studie zufolge:

  • Entweichendes Erdgas (Methan) bei Bergbau, Öl- und Gasförderung und aus Mülldeponien einfangen,
  • Löcher in Gaspipelines stopfen,
  • Reisplantagen öfter trockenlegen,
  • Gase aus Kuhdung und bei der Tierhaltung verringern.

Die besten Methoden zur raschen Eindämmung des Rußausstoßes sind der Studie zufolge:

  • Abgasfilter in Dieselautos einbauen,
  • Fahrzeuge mit alten Motoren - sogenannte Dreckschleudern - still legen,
  • das Abbrennen von Agrarland stoppen,
  • Kochöfen modernisieren.

Die Eindämmung des Rußausstoßes hätte neben der Kühlwirkung einen begrüßenswerten Nebeneffekt: Die Luftverschmutzung ginge zurück. Vor allem in den Metropolen Asiens sorgen dunkle Rußwolken aus Autos, Öfen und Fabriken für krank machende Atemluft.

Die Gruppe um Drew Shindell hat nun berechnet, wie sich klarere Luft auswirken würde, die anhand der 14 Maßnahmen erreicht werden könnte: 700.000 bis 4,7 Millionen Menschen weniger würden pro Jahr an Erkrankungen der Atemwege sterben, schreiben die Forscher. Außerdem würden sich die Ernteerträge um bis zu 135 Millionen Tonnen pro Jahr verbessern.

Vor allem Indien, China, Bangladesh und Indonesien würden von den Abgas-Einsparungen profitieren, heißt es in der Studie. "Die Maßnahmen sind praktikabel", bestätigt der Klimaexperte Mark Jacobson von der Stanford University in Kalifornien, der an der Studie nicht mitgewirkt hat, dem Magazin "Science". Die Empfehlungen seien hilfreich, ergänzt seine Kollegin Denise Mauzerall von der Princeton University.

Das Problem: Die Forscher haben zwar die effektivsten Maßnahmen ermittelt - doch das heißt nicht, dass sie sich überall problemlos umsetzen ließen: Rund drei Milliarden Menschen bereiten ihr Essen auf Öfen zu, die Holz, Dung oder Kohle verbrennen - und mithin Ruß freisetzen. Doch Versuche, Menschen etwa in Afrika und Asien für andere Öfen zu interessieren, erwiesen sich oft als schwierig. Immerhin, sagt Joyce Penner von der University of Michigan, wäre nun bekannt, auf welche Maßnahmen man sich konzentrieren sollte. "Wenn gleichzeitig Gesundheit, Ernte und Klima verbessert werden, steigert das die Attraktivität der Abgasmaßnahmen", meint Shindell. Das könnte die Leute motivieren, sich entsprechend umzustellen - und damit die Erderwärmung tatsächlich zu bremsen.

Quelle: Spiegel Online / Axel Bojanowski

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