Montag, 24. Oktober 2011

Auslaufmodell: «Geiz ist geil»

Beim Einkaufen achten deutsche Verbraucher immer mehr auf Nachhaltigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt die im September veröffentlichte Otto Group Trendstudie, für die das Hamburger Trendbüro 1.000 Personen zu ihrem Einkaufsverhalten befragt hat. Die Marktforscher verzeichnen in Deutschland eine „signifikante Zunahme des Interesses an ethischen Produkten“.

Sowohl die Ausgabebereitschaft als auch die Kaufhäufigkeit für nachhaltige Waren seien in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen. Fast 44 Prozent der Befragten gaben an, dass sie aktuell mehr Geld für fair gehandelte oder klimafreundlich hergestellte Waren ausgeben als noch 2009. „Ethische Prinzipien“, heißt es in der Studie, „haben sich in den Köpfen etabliert“. Die Lifestyle-Orientierung der Deutschen rücke zugunsten einer Werteorientierung in den Hintergrund. Folgt nach „Geiz ist geil“ eine Rückbesinnung der Verbraucher auf Qualität? Konsumexperten sehen dafür einige Anzeichen.

Boris Hedde vom Kölner Institut für Handelsforschung IfH sagt, nachhaltiger Konsum sei in Deutschland zwar noch nicht in der breiten Masse angekommen, aber auf dem direkten Weg dahin. Das IfH befragt die Deutschen regelmäßig zu ihren Konsumgewohnheiten. Nachhaltigkeit ist für hiesige Konsumenten demnach zwar noch nicht das wichtigste Kriterium beim Einkaufen. Die Qualität eines Produktes und das Nachhaltigkeitsniveau seines Herstellers gewannen in den letzten Jahren aber deutlich an Gewicht – während der Preis als Kaufkriterium unwichtiger wurde. Laut Hedde haben viele Unternehmer diese Verschiebung bemerkt und angefangen, sich durch Nachhaltigkeit von ihren Wettbewerbern abzusetzen. Sie versuchten so außerdem das durch unzählige Skandale und Krisen tief erschütterte Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen. Nachhaltigkeit, sagt der Marktforscher, werde sich daher immer mehr zum Standard des Wirtschaftens entwickeln und „spätestens in fünf Jahren ein Muss für jedes Unternehmen sein“.

Dass die deutschen Verbraucher wieder mehr auf Qualität achten, beobachtet auch Ulrike Schell von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie glaubt, dass das teils an der gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeitsthemen liegt. Andererseits versuchten sich immer mehr Unternehmen aus der blanken Not heraus von ihrem Billig-Image zu lösen. „Der über den niedrigsten Preis ausgetragene Wettbewerb hat nicht wenige Unternehmen an den Rand des Ruins getrieben“, sagt die Verbraucherschützerin. Jetzt versuchten sie, über Herausstellung von Merkmalen wie Qualität oder Nachhaltigkeit neue Käufer an sich zu binden. Ausdruck finde diese Strategie zum Beispiel in von den Unternehmen entwickelten Öko-Siegeln, mit denen sie die Nachhaltigkeit ihres Angebots herausstellten. Das, sagt Schell, sei ein Versuch, Vertrauen zurückzugewinnen.

Laut Otto Group Trendstudie traut derzeit lediglich ein knappes Drittel der deutschen Verbraucher Aussagen der Wirtschaft – Tendenz weiter abnehmend. Gleichzeitig sind die Konsumenten laut Studie mehr als noch vor zwei Jahren auf der Suche nach „klaren Werten und verlässlicher Orientierung“. Unternehmen, die ihren Kunden das Gefühl gäben, auf der nachhaltigen Seite zu stehen, hätten deswegen einen Vorteil im Ringen um das verlorene Verbrauchervertrauen. Aus diesem Ringen, sagt der Chef der Otto Group, Hans-Otto Schrader, gingen diejenigen Unternehmen als Gewinner hervor, die „sichtbar Verantwortung übernehmen und authentisch handeln“.

IfH-Marktforscher Hedde teilt die Einschätzung. Nachhaltigkeit, sagt er, sei „noch ein echter Mehrwert“. Unternehmen, die sich öko-korrekt aufstellten, könnten von der „immer deutlicheren Hinwendung der Gesellschaft zur Nachhaltigkeit perspektivisch durch steigende Umsätze profitieren“. Verbraucherschützerin Schell ist vorsichtiger. Sie glaubt zwar, dass bei vielen Vorständen ein „Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit eingesetzt“ habe und dies auch in nachhaltigeren Produkten und einer entsprechenden Nachfrage münden könne. Von nachhaltigen Konsum- und Produktionsweisen sei man damit aber noch weit entfernt: „Wenn wir wirklich nachhaltiges Wirtschaften wollen, müssen wir Verbraucher weniger konsumieren – und die Firmen Waren herstellen, die dauerhaft ihren Zweck erfüllen und nicht nach zwei Jahren neu gekauft werden müssen.“ Ob Unternehmen und Verbraucher zu beidem bereit wären, sei aus ihrer Sicht derzeit fraglich.

Quelle: Rat für Nachhaltige Entwicklung

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