Donnerstag, 6. Oktober 2011

Dänemark mit höchsten Zielen

Die neue dänische Regierung startet mit sehr ehrgeizigen Klimaschutzzielen. 40 Prozent bis 2020, ohne dabei Zertifikate für Klimaschutzprojekte in anderen Ländern zu bemühen - weltweit haben einzig die Malediven ambitioniertere Ziele.

Das Lob kommt vom parteipolitischen Konkurrenten. "Sehr schön, sehr hohes Niveau, sehr positiv", lobt Connie Hedegaard, EU-Klimakommissarin und vorher für ihre Konservativen fünf Jahre lang Umwelt- und Klimaministerin die neue Mitte-links-Koalition in Dänemark. Die sich in der Klimapolitik deutlich höhere Ziele setzt, als die Vorgängerregierungen, zu denen Hedegaard selbst gehörte: "Und natürlich ist es positiv, dass die Regierungschefin dem Klimathema so einen vorrangigen Platz in ihrer Regierungserklärung einräumte."


Bei der Windenergie ist Dänemark schon lange vorne mit dabei. (Foto: Johanna Treblin)

Tatsächlich hat die Regierung von Helle Thorning-Schmidt (Sozialdemokraten) die Latte hochgelegt. Mit 30 Prozent wollte Dänemark schon bislang den Klimagasausstoß bis 2020 im Verhältnis zu 1990 reduzieren. Thorning-Schmidt hat 10 weitere Prozent dazugepackt. 40 Prozent haben sich zwar auch die Nachbarländer Norwegen und Schweden als Zielmarke gesetzt – aber sie wollen dieses Ziel zu einem Drittel mit dem Kauf von Verschmutzungsrechten, Emissionszertifikaten, erreichen.

Dänemark will diese Hintertür nicht nehmen und den Klimagassschnitt tatsächlich zu Hause leisten. Ehrgeizigere Ziele hat derzeit weltweit nur der Inselstaat der Malediven, der bis 2020 ganz klimaneutral werden will. Kein Wunder, dass Klima-NGO's beim Klimatreffen in Panama City Dänemark am Montag, als Thorning-Schmidt ihre Regierungserklärung abgab, gleich den symbolischen Preis "Ray of the Day" verliehen. Nun sind Ambitionen eine Sache, deren Realisierung aber eine ganz andere. Zwei Sektoren stehen derzeit für den Hauptteil des dänischen Klimagasausstosses: fossile Strom- und Wärmeproduktion und der Strassenverkehr.

Dänemark war schon früh ein Windenergie-Vorreiter. Trotzdem ist die dänische Stromerzeugung mit einem derzeitigen Anteil von über 70 Prozent für Kohle, Öl und Gas vergleichsweise abhängiger von Fossilenergie als die deutsche. Kohle und Öl sollen nun bis 2030 ganz aus der Strom- und Wärmeproduktion verschwunden sein, Erdgas fünf Jahre später. Vor allem durch einen massiven Ausbau von Offshore-Windkraft, Energieeinsparung und dem Aufbau eines "intelligenten Stromnetzes" soll bis 2020 die Hälfte des dänischen Stromverbrauchs aus Windkraftproduktion kommen.

"Das lässt sich machen, ist absolut realisierbar", urteilt Anders Eldrup, Chef des Energiekonzerns DONG, der mit einem Verzicht auf einstige Fossilkraftwerksneubau- und CCS-Pläne bereits selbst die Weichen weg von einer Verlängerung des Kohlekraftzeitalters gestellt hat. Bekomme die Energiewirtschaft nur klare Vorgaben und Planungssicherheit, lasse sich auch eine solch fundamentale Umstellung stemmen. Mit einem breiten
Allparteienübereinkommen und gegossen in die gesetzliche Form eines neuen Klimagesetzes, das jährliche Kontrollpunkte vorsieht, inwieweit die gesetzten Ziele erreicht sind, will man in Kopenhagen genau diese Sicherheit schaffen. Zu den voraussichtlichen Kosten dieser "Energierevolution" macht die Regierungserklärung keine Aussagen. Eine im letzten Jahr veröffentliche Studie bezifferte diese auf zusätzlich etwa 1,1 Cent pro Kilowattstunde.

Bleibt der Transportsektor. Hier will die neue Regierung den Kollektivverkehr attraktiver, den individuellen Autoverkehr aber deutlich teurer machen. Künftige Verkehrsinvestitionen sollen zu zwei Drittel in den Kollektiv- und Schienenverkehr, sowie den Radwegbau fliessen. Eine umfassende Infrastruktur für Hybrid- und Elektroautos soll aufgebaut und deren Erwerb steuerlich begünstigt werden. Der vom Autoverkehr besonders belastete Grossraum Kopenhagen soll eine Strassenmaut erhalten. Die Einnahmen daraus sollen in die Verbilligung der Fahrpreise für den öffentlichen Personennahverkehr fliessen.


Kopenhagen gilt schon jetzt als Fahrradhauptstadt - die Regierung plant weitere Investitionen in Radwege. (Foto: Albertyanks, Wikimedia Commons)

Auch die Landwirtschaft soll einen Beitrag zur Klimagasreduktion leisten. Man möchte schrittweise weg von der dänischen Intensivlandwirtschaft mit ihrer hohen Methangas-produktion: Bis 2020 soll die Fläche für ökologischen Landbau verdoppelt werden. Auch mit mehr symbolischen Entscheidungen setzt Mitte-links Zeichen: Der "Klimaskeptiker" Bjørn Lomborg muss künftig für sein "Copenhagen Consensus"-Institut auf Gelder aus der Staatskasse verzichten. Das "Lümmelgesetz", mit dem das Demonstrationsrecht anlässlich des Kopenhagener Klimagipfels massiv eingeschränkt worden war, soll wieder abgeschafft werden.

Dänemark übernimmt im 1. Halbjahr 2012 die EU-Ratspräsidentschaft. Kopenhagen kündigt für diese "eine offensive Tagesordnung im Bereich grünen und nachhaltigen Wachstums vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise und Klimakrise" an. Man will auf eine "starke Stimme der EU bei den internationalen Klimaverhandlungen und dem 'Rio+ 20'-Entwicklungsgipfel in Brasilien im Juni 2012" hinarbeiten. „Hoffentlich wird das die traurigen Erinnerungen auslöschen, die wir von der Handhabung des Klimagipfels durch die frühere dänische Regierung haben", kommentiert Pa Ousman Jarju, Sprecher der LCD, den "am wenigsten entwickelten Staaten" bei den UN-Klimaverhandlungen.

Quelle: klimaretterinfo.org / Reinhard Wolff

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