Dienstag, 9. August 2011

Bessere Verpackungen

Auf dem Weg vom Acker auf den Teller verderben laut Uno mehr als eine Milliarde Tonnen Lebensmittel pro Jahr. Das verschärft Hungersnöte - und den Treibhauseffekt. Bessere Verpackungen sollen nun helfen, das Problem zu lösen.

Guten Appetit? Von wegen! In Ostafrika sind derzeit Millionen Menschen vom Verhungern bedroht. Die Uno schätzt, dass in Somalia allein 640.000 Kinder akut unterernährt sind. Gleichzeitig haben es Spekulanten auf Agrarrohstoffe wie Weizen, Reis oder Mais abgesehen. Sie kaufen sie billig bei Bauern ein und wetten auf einen Preisanstieg. Das ist lukrativ, denn Lebensmittel werden wegen des zunehmenden Wohlstands und der wachsenden Weltbevölkerung immer knapper.

Dabei müsste vielerorts gar kein Mangel drohen. "Ein Drittel der global produzierten Lebensmittel, jährlich rund 1,3 Milliarden Tonnen, geht auf dem Weg vom Acker zum Verbraucher verloren oder wird verschwendet", sagt Jenny Gustavsson vom Schwedischen Institut für Lebensmittel- und Biotechnologie (SIK). Sie zählt zu den Autoren der Studie " Food Losses and Food Waste", die das SIK für die Welternährungsorganisation (FAO) erstellt hat. Würden Verluste durch einen sorgsameren Umgang mit Nahrung reduziert, könnten Hungersnöte eingedämmt werden.

Gleichzeitig ließe sich so der Klimawandel wohl zumindest abmildern.
"Grob geschätzt verursacht die Produktion eines Kilogramms Nahrung ein Kilogramm des gefährlichen Klimagases CO2", erklärt Gustavsson. Bei 1,3 Milliarden Tonnen Verlusten fallen demnach 1,3 Milliarden Tonnen CO2 an - immerhin mehr als vier Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen. Die Ergebnisse der Studie stehen im Widerspruch zur bisherigen Ernährungspolitik der FAO. Bisher ignorierte die Uno-Organisation Klimaaspekte weitgehend. Bisher lautete die Prämisse, dass die weltweite Lebensmittelproduktion bis zum Jahr 2050 um 70 Prozent steigen müsse - um alle Menschen satt zu bekommen. Jetzt gelten freilich neue Ziele: "Angesichts weltweit knapper werdender Ressourcen ist es wirksamer, Lebensmittelverluste zu reduzieren als die Produktion zu erhöhen, sagt FAO-Agrarexperte Robert von Otterdijk.

Über die gesamte Lieferkette hinweg wird Nahrung verschwendet,
angefangen bei der landwirtschaftlichen Produktion bis hin zum Verbrauch im Privathaushalt. Das fanden die SIK-Forscher heraus, indem sie Daten zur Ernte, Lagerung, Produktion, Handel und Verbrauch von Lebensmitteln in insgesamt 151 Ländern in sieben Weltregionen sammelten und auf dieser Datenbasis die Nahrungsverluste hochrechneten. In den ärmeren Ländern Afrikas und Asiens liegt das Problem am Anfang dieser Wertschöpfungskette. Wegen Ernte- und Logistikfehlern gehen dort pro Kopf jährlich sechs bis elf Kilogramm Nahrung verloren. Bei Hitze werden Obst und Milch schlecht, wird Fleisch mit gefährlichen Keimen besiedelt und ungenießbar. Die wahren Klimasünder sind aber die Europäer und Nordamerikaner: 95 bis 115 Kilogramm werden in den Industriestaaten pro Person und Jahr einfach in den Abfall geworfen - obwohl sie noch für den Verzehr geeignet gewesen wären.

Forderungen zum sofortigen Umdenken kommen daher von höchster Stelle. "Die entwickelten Länder müssen sich im Kampf gegen Wegwerfmentalität und Energieverschwendung klare Ziele setzen", sagt Klaus Töpfer, Chef der von der deutschen Bundesregierung eingesetzten Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung. Die Industrie hat bereits neue Konzepte für Verpackungsmaschinen sowie "smarte" Verpackungen angekündigt. Doch das Versprechen wird sich nur schwer umsetzen lassen. Bauern in Nigeria müssen erst einmal überzeugt werden, dass sie ihre Rohstoffe besser am Ursprungsort verpacken als sie ungeschützt auf Reisen zu schicken. Und die westliche Sorglosigkeit ist noch schwerer zu bekämpfen: "Viele Verbraucher sehen das Mindesthaltbarkeitsdatum als Trennungsabsolution, obwohl viele Lebensmittel nach Ablauf noch frisch sind", erklärt der Konsumpsychologe Stephan Grünewald vom Markt- und Medienanalyse-Institut Rheingold in Köln.

Bei der Lösung des Problems sollen Zeit-Temperatur-Indikatoren mithelfen. Sie sollen jederzeit über den tatsächlichen Frischezustand des Produkts informieren. BASF bietet dazu zum Beispiel mit einer speziellen Pigmentfarbe versehene Etiketten an. Sie werden auf die Verpackung gedruckt. Wird der Inhalt ungenießbar, schlägt die Farbe um. Die US-Firma Sonoco wiederum entwickelt Verpackungen mit integrierten Mikrochips. Sie sammeln über Sensoren stetig Informationen über den Zustand eines Produkts, wie Feuchte und Temperatur zum Beispiel. Werden programmierte Schwellenwerte über- oder unterschritten, dann löst die Verpackung einen Alarm aus.

In Zukunft sollen Lebensmittelbehältnisse aber noch mehr leisten. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising forscht an Kunstoffen, die das Füllgut direkt beeinflussen. Sie sollen schädlichen Sauerstoff und Mikroben beseitigen - und so die Haltbarkeit und Qualität der Produkte verbessern.

In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind aber eher andere Techniken gefragt.
"Hier ist Hilfe zur Selbsthilfe nötig", sagt Forscherin Gustavsson. Konzernvertreter von Firmen wie Bosch reisen deswegen zum Beispiel mit mobilen Verpackungsmaschinen durch Indien - um Bauern die Vorteile verpackter Lebensmittel zu zeigen. Doch auch wenn sie ihre Ernte künftig besser schützen: Für den Klimaschutz ist entscheidend, dass der westliche Konsument weniger Essen wegwirft.

Quelle: Spiegel Online / SR

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