Montag, 25. Juni 2012

Meeresspiegel steigt trotzdem

Welle vor Kapstadt (im August 2011): "Weniger Zeit sich anzupassen"

Selbst wenn sich die Welt sofort auf ernsthafte Klimaschutzziele verständigen würde, stiege der Meeresspiegel noch jahrzehntelang weiter. Das zeigt eine neue Langzeitprognose. Eine weitere Studie sieht US-Metropolen wie New York und Boston überdurchschnittlich stark von Hochwasserlagen betroffen.

Der Anstieg des Meeresspiegels gilt als eine besonders dramatische Begleiterscheinung des Klimawandels. Schließlich leben weltweit viele hundert Millionen Menschen in küstennahen Gebieten. Betroffen von steigenden Pegeln wären neben vielen armen Staaten auch wichtige wirtschaftliche Zentren, etwa in Asien und Nordamerika.

Allerdings ist es für Wissenschaftler noch immer extrem schwierig, genaue Prognosen zum Meeresspiegelanstieg vorzulegen - zumal der längst nicht überall rund um die Welt gleich stark ausfällt. Der Weltklimarat hat in seinem letzten Bericht nur die wärmebedingte Volumenausdehnung des Ozeanwassers berücksichtigt. Ein Plus von einem Meter bis zum Jahr 2300 ist auf diese Weise zu befürchten. An Versuchen, das Ergebnis zu präzisieren, hat es seither nicht gemangelt - doch die Spannbreite der Schätzungen variiert dramatisch. Ein Team um Michiel Schaeffer vom privaten Forschungsinstitut Climate Analytics in Berlin versucht sich im Fachmagazin "Nature Climate Change" nun auch an einer Vorhersage bis ins Jahr 2300. Zum Einsatz kommt dabei eine semi-empirische Methode. Das heißt, es werden nicht in erster Linie die physikalischen Prozesse modelliert, die zum Anstieg des Wassers führen, das Abschmelzen des Eises in Grönland und der Antarktis zum Beispiel. Stattdessen geht das Modell unter Verwendung bisheriger Beobachtungsdaten davon aus, dass die Pegel ungefähr proportional zur Größenordnung der Erderwärmung klettern.

Weil die Forscher naturgemäß nicht wissen, wie stark die Temperatur in den kommenden Jahrzehnten steigen wird, arbeiten sie mit verschiedenen Szenarien. Dabei zeigt sich: Selbst bei einer auf zwei Grad Celsius begrenzten globalen Erwärmung muss weltweit mit einem erheblichen Meeresspiegel-Anstieg gerechnet werden. Bis zum Jahr 2100 würden in diesem Szenario im Schnitt 80 Zentimeter dazukommen. Bis zum Jahr 2300 wären es zwischen anderthalb und vier Meter; der wahrscheinlichste Wert läge bei einem Plus von 2,7 Metern.

Die Forscher haben auch ausgerechnet, was bei ambitionierteren Klimazielen passieren würde: Bei einem Stopp jeglicher CO2-Emissionen im Jahr 2016 würden die Pegel bis mindestens 2050 mit zunehmendem Tempo ansteigen und sich dann erst langsam beruhigen. Wenn es gelänge, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, würde der Meeresspiegel der Studie zufolge bis zum Jahr 2300 um etwa 1,5 Meter ansteigen. Das Problem: Ein Klimaschutzziel von nur 1,5 Grad mehr als vor der industriellen Revolution ist nach Ansicht vieler Klimaforscher kaum zu schaffen. Für realistischer halten viele eine Erwärmung um zwei bis drei Grad. Der "Climate Action Tracker", an dem Studienleiter Scheffler ebenfalls mitarbeitet, geht bei den aktuellen Klimaschutzzusagen der Weltgemeinschaft gar von einem Plus von 3,5 Grad bis zum Jahr 2100 aus.

Eine Temperaturzunahme in dieser Größenordnung würde der neuen Studie zufolge massive Folgen für den Meeresspiegel haben. Stiegen die weltweiten Temperaturen um drei Grad, so wäre nach Ansicht der Autoren bis zum Jahr 2300 mit einem Meeresspiegelanstieg von durchschnittlich 3,5 Metern zu rechnen. Entscheidend an der neuen Studie sind aber nur in zweiter Linie die genauen Zahlen. Wichtig ist aus Sicht der Forscher der fundamentale Zusammenhang: "Weil die Eis- und Wassermassen der Welt sehr langsam auf die globale Erwärmung reagieren, bestimmen unsere heutigen Emissionen den Meeresspiegel noch für die kommenden Jahrhunderte", sagt Erstautor Schaeffer. Man müsse noch lange Zeit mit steigenden Wasserpegeln an den Küsten rechnen

Die neuen Ergebnisse zeigen auch, dass sich auch das Tempo des Pegelanstiegs mit höheren Temperaturen beschleunigen wird. "Die Menschen an den Küsten haben weniger Zeit sich anzupassen, wenn der Meeresspiegel schneller ansteigt", sagt Co-Autor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die möglichen Folgen eines relativ schnellen Anstiegs wären erheblich, warnt Rahmstorf. "Für New York City zum Beispiel wurde gezeigt, dass ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter die Häufigkeit schwerer Überflutungen von einmal pro Jahrhundert auf einmal alle drei Jahre steigern könnte." Auch niedrig liegende Länder und Regionen mit ausgedehnten Flussdeltas wie in Bangladesch sowie kleine Inselstaaten wären aus Sicht des Forschers wohl erheblich betroffen.

Dass die dicht besiedelte Ostküste der USA besonders vom Meeresspiegelanstieg gefährdet ist, zeigt eine zeitgleich in "Nature Climate Change" erschienene Studie. Forscher um Abby Sallenger vom Geologischen Dienst der USA (USGS) hatten dafür Wasserstandsmeldungen aus der Zeit zwischen 1950 und 1979 sowie 1980 und 2009 ausgewertet. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Pegel in dem betroffenen 1000 Kilometer langen Küstenabschnitt, der auch New York und Washington umfasst, drei- bis viermal schneller und stärker ansteigen als im weltweiten Durchschnitt.

Quellen: Agenturen / Spiegel Online

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